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Tatsächlich, es regnet nicht mehr. Irgendwie schien es zwar so, als könnte
es minütlich wieder beginnen, aber ich war optimistisch, das Zelt wurde eingepackt
und los ging es. Tja, nach kurzer Zeit regnete es dann doch, aber, jetzt war ich
unterwegs und es sollte ja besser werden gegen nachmittag. Die Regensachen zog ich
doch mal an, richtig warm war es nicht – das liegt auch an dem Wind, der recht
kräftig wehte, glücklicherweise das Haslital hinauf. Die kleine Zwischensteigung
nach Meiringen war schnell überwunden, schon ging es hinunter nach Innertkirchen.
Ein Schlagloch übersah ich; im Fahren vergewisserte ich mich, dass dem Fahrrad
nichts ernsthaftes passiert ist. Kurz nach Innertkirchen, da, wo die Steigung
anfängt, blieb ich stehen, um meine Regensachen auszuziehen und zu verstauen, da
sah ich, o Schreck, dass sich einige Befestigungsschrauben des hinteren Gepäckträgers
gelöst hatten. Der Reparaturversuch mit dem Bordwerkzeug scheiterte recht schnell,
deshalb fuhr ich zurück und konnte mit von einer Autowerkstatt ausgeliehenem
Profiwerkzeug den Schaden schnell beheben.
Dann also hoch. Den Grimselpass bin ich bislang nur mit dem Rennrad gefahren, beim
Alpenbrevet, auf der Runde Susten-Grimsel-Furka. Mit einem vollbepackten Reiserad
geht das doch nicht ganz so schnell... Und das Wetter wurde auch nicht wirklich
besser. Die Wolken hingen immer tiefer, bzw. ich kam ihnen immer näher, und es
begann wieder langsam, aber stetig zu tropfen. In Guttannen war ich dann im Nebel,
machte Mittagspause und rief mal wieder die 162 an – Wettermeldung vom
Grimselhospiz: 3 Grad, Nieselregen. So etwas brauchte ich definitiv nicht, also
checkte ich umgehend im Hotel Bären ein. Das Fahrrad durfte in die Garage, dort
konnte ich auch das Zelt trocknen und ich begab mich ins Zimmer, verteilte die
nassen Klamotten weiträumig und las. Einen Roman hatte ich mir mitgenommen, einen
Spontankauf: "Blösch", von Beat Sterchi. Schweizer Literatur in der Schweiz, das
passt. Das Buch gefällt mir ganz gut, es handelt von einem spanischen Gastarbeiter
in einem Schweizer Bergdorf. Heavy wird es jedoch von Zeit zu Zeit, wenn etwa die
Geburt eines Kalbes oder die Arbeit im Schlachthof sehr lebensnah und detailverliebt
geschildert wird ... Hunger hatte ich erstmal keinen.
Irgendwann wagte ich mal wieder einen Blick aus dem Fenster und tatsächlich, weiter
unten im Tal waren einzelne Flecken blauen Himmels zu erahnen. Die Wettervorhersage
hat also doch recht gehabt. Leider hing das schlechte Wetter in dieser Region am
längsten, woanders in der Schweiz wurde es schon eher schön. Nun gut, ich konnte
mich also zu einem kurzen Dorfrundgang aufmachen. Der ist sogar beschildert: 10
Themenposten geben Auskunft über die Passgeschichte des Grimselpasses, das
Kristallmuseum, die Schule; ich erfuhr von der alpinen U-Bahn, die die Arbeiter
unterirdisch zum Kraftwerk Handeck bringt, wenn die Straße wegen Lawinengefahr
gesperrt ist. Besonders eindrücklich sind die Schilderungen der Naturgefahren, wie
etwa das Dorf im Winter 1999 tagelang von der Umwelt abgeschnitten und von
Lawinen bedroht war.
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