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Samstag, 26.5.2007 – 5. Etappe
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Warm und gewittrig sollte es heute werden, aber es wurde kühl. Am Morgen
war es noch sonnig, da konnte ich noch schönen Fotos in der Innenstadt von Yverdon
schießen und mich in der Hoffnung auf einen sonnigen Tag eincremen. Es war Markt
auf dem Pestalozziplatz, patriotische Hühner gab es und allerlei anderen Kram, doch
mein Frühstück kaufte ich traditionell in der Migros. Eigentlich wollte ich auf den
Jura, zum Creu du Van, einem durch fast rundum mehrere hundert meter abfallende
Felswände gebildeten Kessel, doch die Wolken, die am Jura hingen, schickten mich
auf eine einfachere Etappe: Eine Umrundung des Neuenburger Sees, also eine eher flache,
dafür etwas längere Etappe – immerhin ist der Lac de Neuchâtel, wie er auf
französisch heißt, der größte See der Schweiz. Der größte See der Schweiz? Was ist mit
dem Bodensee, was mit dem Genfer See? Die sind größer, okay, aber die Schweiz muss
sie sich mit Deutschland und Österreich bzw. Frankreich teilen. |
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In Richtung Neuchâtel konnte ich eine regionale Veloroute nutzen, die
Jurasüdfußroute. Sie führt meist am See entlang, wo es möglich ist, manchmal auch
etwas oberhalb. Wer will, kann sich das Städtchen Grandson mit seinem Schloss ansehen,
ich wollte aber nicht, lieber wollte ich vorwärts kommen. Doch etwas anderes erregte
meine Aufmerksamkeit: Ein Schiff fuhr auf dem See, an mehreren Orten sah ich es anlegen ...
und tatsächlich, ab dem 26.5. verkehrten die Linienschiffe auf dem Neuenburger See wieder.
Da könnte ich doch glatt den Nordzipfel abschneiden und meine fast schon
traditionelle Schweiz-Radtour-Schifffahrt machen. |
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Um halb zwölf war ich in Neuchâtel und fuhr gleich zum Hafen, um zu sehen, wann
die Schiffe ans andere Ufer fahren. 12:30, aha, also hatte ich eine Stunde für einen
Stadtrundgang und den Einkauf des Mittagessens. Dann ab zum Hafen, Ticket kaufen –
nicht ohne Hindernisse, musste ich mich doch gegen eine ziemlich rabiat vordrängelnde
amerikanische Rentnerin behaupten, die, nachdem mir das gelang, sofort nach meinem
Halbtax-Abo griff, um es aus der Nähe zu betrachten. |
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Ich durfte das Halbtaxabo wieder an mich nehmen, ging mit Rad auf das Schiff,
bald war Abfahrt. Und wer kam zu spät und konnte nur dank der Gnade des Kapitäns auf
den See? Na klar, die amerikanische Rentnerin samt Kumpanin, die ja noch unbedingt
einen Kaffee schlürfen mussten... Egal, Leinen los und es wurde tatsächlich ziemlich kühl auf dem Oberdeck. Ich hielt es trotzdem aus, es war ja nichtmal eine Stunde Schifffahrt. Erst quer über den See, mit dem Blick zurück auf Neuchatel und den Jura, bald kam der Chasseral ins Sichtfeld, dann entlang des Südostufers von Cudrefin nach Portalban, dort war es für mich schon wieder vorbei, schließlich wollte ich noch etwas radfahren. |
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So, wieder festen Boden unter den Füßen. Und eine Veloroute wartete auf mich,
um mir den Weg zurück nach Yverdon zu weisen. Die Idee eines kurzen Abstechers nach
Payerne, die mir im Kopf herumgeisterte, verwarf ich wieder, wollte ja am Abend noch
nach Baulmes zum Fußball, schließlich bin ich nicht zu Spaß hier unterwegs. Dennoch
blieb ich nicht am Ufer, sondern fuhr ein wenig auf den Kamm in Richtung Vallon, wo
plötzlich die Alpen auftauchten, bzw. ein Teil der Freiburger Alpen, der gerade von
den Wolken freigegeben wurde. Ist schon eine schöne Gegend, zwei Gebirge zum Greifen
nah, ein See dazu ... was ich allerdings ziemlich dringend brauchte, war eine Toilette.
Nach zunehmend panischer Suche fand ich sie in einer Ferienkolonie am See. |
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Erleichtert machte ich mich auf den Weg, das nächste Etappenziel war
Estavayer-le-Lac, nun gut, Etappenziel ist etwas übertrieben, eine Pause wollte ich
eigentlich nicht mehr einlegen. In Estavayer verlor ich vorübergehend die Orientierung,
da ich nicht streng den Velorouten-Wegweisern folgte, sondern meinen eigenen Weg durch
das – sehr sehenswerte – Städtchen suchte. Und die vielen ignorierten Einbahnstraßen
erschwerten es mir ein wenig, den Veloweg in der richtigen Richtung zu finden. Gut,
für einen Geographen ist das kein unlösbares Problem, also schaffte ich das. |
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Zwischen Estavayer und Yverdon lagen noch über 20 km, da hatte ich mich etwas
verschätzt, dachte, das wäre näher gewesen. Und blöderweise verlief mindestens die Hälfte
dieser 20 km auf nicht asphaltierten Waldwegen, mit den vorhersehbaren Konsequenzen für
Sauberkeit von Rad und Kleidung. Okay, die Klamotten werden ja sowieso gewaschen und das
Rad ... irgendwann auch. Es fing noch ein klein wenig an zu regnen, um so schneller fuhr
ich in Richtung Campingplatz.
Um kurz nach vier war ich wieder in Yverdon, Zeit genug, um zu duschen, zu essen und nach Baulmes zu fahren, zum dritten Teil meiner Challenge-League-Trilogie. Gespannt war ich schon, groß ist das Dorf ja nicht, wie sich dort ein Klub in der zweithöchsten Schweizer Spielklasse etablieren konnte? Den Ort kannte ich, fiel mir auf, da ich schon einmal die Veloroute 7 gefahren bin, an der liegt Baulmes – man verlässt dort kurz den Jura, um bei Vallorbe wieder ins Gebirge zurückzukehren. Mit der Bahn war ich schnell oben, ein Dorfrundgang musste natürlich sein, bevor ich ins Stadion ging. Das Stadion lag direkt am Bahnhof, das war ja schon mal praktisch für die Rückfahrt. Erschrocken musste ich feststellen, dass trotz der unglaublichen Erfolge des heimischen Klubs selbst hier, letzten Eck der Romandie, ein süddeutscher Fußballclub seine Anhänger findet. |
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Anschließend ging ich noch hoch zum Friedhof, von dort erhoffte ich mir
einen schönen Blick auf den Ort und die Alpen. Baulmes liegt an der Veloroute 7,
der Juraroute, und hier beginnt der (happige) Anstieg zum Col de l'Aiguillon. Auch
wenn ich ausnahmsweise ohne Rad unterwegs war, das musste fotografiert werden.
Der Blick von dem Weg vor dem Friedhof war in der Tat beeindruckend, noch besser
muss er sein, wenn die Sicht klar und die Alpen zu sehen sind, heute sah man
nur die Berge des Chablais an der Südseite des Genfer Sees, der Rest war in Wolken.
Fotos machte ich natürlich trotzdem, doch dann hielt mich nichts mehr vom
Stadion fern. |
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Das ganze Dorf war auf den Beinen, alle gingen ins Stadion. Und noch mehr
als alle: das Stadion Sous Ville war richtig voll, 2.300 Zuschauer sind
für einen Ort mit weniger als 1.000 Einwohner nicht übel. Man übertrage das mal auf
Frankfurt ... Es war also sehr viel los, dennoch, den Eindruck eines besseren
Dorfsportplatzes wurde ich nicht los. Hier spielt also ein Klub der zweithöchsten
Schweizer Liga. Ich schaute mich ein wenig um, setzte mich kurz auf einen Platz der
neu errichteten Tribüne, machte Fotos, beschloss dann aber, das Spiel direkt vom
Spielfeldrand zu sehen, weil ich so nahe wie möglich dran sein wollte. Zum Spiel: Baulmes spielte überlegen ... nein, erst die Ausgangssituation: Bereits abgestiegen war YF Juventus, der zweite Abstiegsplatz wurde zwischen FC Baulmes, FC Wohlen und SR Delémont ausgespielt. Die Tabellensituation vor dem Spieltag: 15. Wohlen 31 Punkte 16. Delémont 30 Punkte 17. Baulmes 29 Punkte. Delémont spielte gegen Wohlen, also reichte dem FC Baulmes ein Sieg, um die Klasse zu halten. Das erklärt die Zuschauermassen. Im Gegensatz zu gestern und vorgestern ging es hier noch um etwas. |
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Zum Spiel: Baulmes spielte überlegen, der FC Locarno kam, trotz der
zahlreichen mitgereisten Fans, kaum zu Chancen. Folgerichtig führte der FC Baulmes
zur Halbzeit mit 2:0. Nach der Halbzeit spielte Baulmes weiterhin überlegen, doch
urplötzlich fiel durch einen Schuss in den Winkel (genau vor mir, hatte mich hinter das
Tor gestellt in der Halbzeitpause) das 2:1. Etwas später bekam Baulmes durch einen
Elfmeter die Chance, auf 3:1 zu erhöhen, doch der Schütze schoss wie einst Uli Hoeneß
weit drüber. Die 90. Minute nahte, Baulmes stürmte weiter, das dritte Tor gelang jedoch
nicht. Der Schiedsrichter zeigte zwei Minuten Nachspielzeit an, auch in diesen zwei Minuten
hatte Baulmes eine gute Chance, doch am Ende der zwei Minuten fiel wie aus dem Nichts
der Ausgleich. Totenstille. Abstieg. Der Schiedsrichter ließ aus welchen Gründen auch
immer weitere zwei Minuten nachspielen, aber es half nichts. Durch das Tor in der
Nachspielzeit stieg der FC Baulmes ab und ein Dorf trauerte. Zwei Trikots habe ich mir noch gekauft, die kosteten 20 CHF und wurden am Rande des Spiels verkauft. Originaltrikots, getragen von den Stars (aber gewaschen). Auch was Nettes, und wieder etwas mehr Gewicht in den Packtaschen. |
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Quasi direkt nach dem Abpfiff fuhr der Zug in den Bahnhof ein und ich war kurze
Zeit später wieder in Yverdon. Als ich schon im Schlafsack lag, steckten oben bestimmt
immer noch viele im Stau, denn auf so viel Autos ist das Straßennetz von Baulmes nicht
ausgelegt. Trotz des traurigen Spiels konnte ich schnell einschlafen, es war ja nicht
die Eintracht. Aber so etwas will ich mit der Eintracht nicht erleben, auf keinen Fall!
Bitte! |
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