www.montivagus.de | |
Pässe in der Schweiz . Pässe in Frankreich . Pässe in Italien . Pässeliste . Touren | |
News . Sitemap . Impressum . Links . E-Mail . Forum . Off-topic |
Sonntag, 1.6.2008 – 6. Etappe
|
Wieder aufs Rad! Der nächste Teil der Ostschweizerkundung stand an. Und
dazu wählte ich mal wieder eine nationale Veloroute, diesmal die Route 4, die
Alpenpanoramaroute. Immer in Säntisnähe, von den Steigungen mit Mittelgebirgscharakter,
und dazu gutes Wetter – es versprach eine schöne Etappe zu werden. Noch nicht ganz klar
war das Ziel für heute, wenn es gut lief, wollte ich bis an den Walensee, oder, wenn
es nicht so gut lief, nur bis etwas Wattwil vor dem Ricken. Am Anfang stand die Steigung: von St. Gallen hinauf nach Heiden, mit einem kleinen Abstecher über den Rorschacherberg. Das erhoffte Panorama hatte ich von dort nicht, doch dafür eine 14-%- Steigung. Panorama war erst später angesagt, und zwar in Heiden, einem großartig auf einer Terrasse über dem Bodensee gelegenen Ort. |
|
|
Augenscheinlich ist dies kein typisches Voralpenstädtchen. Es dominieren
recht massive, klassizistische Gebäude. Das muss doch einen Grund haben, und natürlich
hat es einen, ähnlich wie in z. B. in Meiringen im Berner Oberland: Ein Brand,
verstärkt durch einen Föhnsturm; danach musste alles neu aufgebaut werden. Klugerweise
verzichtete man beim Wiederaufbau auf die ursprüngliche Holzbauweise. |
|
Ganz nebenbei war ich nun im Kanton Appenzell-Außerrhoden, dem vorletzten mir
"fehlenden" Kanton, und wenige Kilometer später sollte ich nach Appenzell-Innerrhoden
kommen – damit bin ich nun in jedem schweizer Kanton mit dem Rad unterwegs gewesen.
Diese Tour hat also die letzten Lücken geschlossen, neben den beiden Appenzellen war dies
Schaffhausen und Thurgau. |
|
Relativ dicht besiedelt und grün, so präsentiert sich das Appenzellerland.
Viele kleine Dörfer, Einzelhöfe, Wiesen und Wälder, alles beherrscht vom Säntis,
trotz der eher geringen Höhe von 2.502 m der dominierende Gipfel der Ostschweiz. Schon
in den vergangenen Tagen habe ich ihn häufiger gesehen, heute sollte er mich den
ganzen Tag begleiten. Um kurz nach 11 Uhr erreichte ich Trogen, einst der Hauptort des Kantons Appenzell Außerrhoden. Besonders groß ist es allerdings nicht, eine Pause machte ich auch nicht, sondern ich fuhr direkt weiter auf der Veloroute 4. |
|
Und kam bald nach Appenzell, dem Hauptort des Kantons Appenzell Innerrhoden.
Mit 15.000 Einwohnern ist dieser Kanton etwa halb so groß wie der Frankfurter Stadteil
Bockenheim – und hat etwa so viel politische Zuständigkeiten wie ein deutsches Bundesland.
Und außerdem war Appenzell Innerrhoden der letzte weiße Fleck auf meiner Schweizradelkarte.
In Appenzell wollte ich meine Mittagspause einlegen. |
|
Und das machte ich auch. Am Bahnhof kaufte ich mir die NZZ am Sonntag, dann
rollte ich durch das schöne, kleine Städtchen zum Landsgemeindeplatz. Auf dem kurzen Weg
musste ich drei Touristengruppen passieren, zwei davon aus Fernost, das hier ist also
ein Aushängeschild der Schweiz. Dann kam ich zum Landsgemeindeplatz, fand eine Bank unter
einem Baum und packte meine Vorräte aus der Vorderradtasche. Der Landsgemeindeplatz ist ein besonderer Platz der Schweizer Demokratie. Hier geht es noch richtig basisdemokratisch zu: Einmal im Jahr bestimmt hier die Landsgemeinde, also die wahlberechtigten Bürger des Kantons, die kantonale Politik, sie ist das oberste Organ der Legislative. Wahlberechtigte Bürger – erst seit dem 27. November 1990 gehören auch die Frauen dazu. An den restlichen Tagen im Jahr verliert dieser Platz jedoch viel von seinem basisdemokratischen Reiz, denn er ist schlicht … ein Parkplatz. |
|
Nach dem Mittagessen machte ich mir ein paar Gedanken über den weiteren
Verlauf der Tour. Das bedeutete erstmal über die nächsten zwei Tag. Was sollte das
Ziel für heute sein? Und was das Ziel für die nächsten Tage? Die Wettervorhersage war
nicht so berauschend, eigentlich sollte das Wetter in der ganzen Schweiz schlechter werden,
Ausnahme das Tessin. Was liegt also näher, als dorthin zu fahren? Heute wollte ich daher
vielleicht bis zum Walensee, vielleicht aber auch nur bis Wattwil, um dann morgen weiter
nach Graubünden zu fahren, mit dem Ziel Splügenpass und Tessin. Zukunftsmusik. Die Aktualität hieß Appenzeller und St. Galler Voralpen. Auf und ab, im nächsten ab lag der nächste schnuckelige kleine Ort, Urnäsch. Eine kleine Pause an einem Brunnen, dann ging es gleich weiter. Das "Dach" der heutigen Etappe lag vor mir, ich sollte zum zweiten Mal nach Wildhaus die 1.000-m-Linie überfahren, auf dem Weg zu einem Pass, der keinen Namen hat (zumindest habe ich keinen gefunden). Immer wieder schöne Blicke ins Tal – wo die Schwägalpstraße mir flüsterte, dass es noch ein paar Ziele in der Ostschweiz gibt – und natürlich auf den Säntis, dann war ich auf der Passhöhe. |
|
|
|
Nach einem Anstieg folgt meist eine Abfahrt, so war es auch hier. Wie schon
den ganzen Tag auf kleiner Straße, relativ verkehrsarm, trotz des Schönwetter-Sonntags.
Der nächste Ort war Hemberg, der lag jedoch schon auf dem nächsten Rücken, vorher
war eine Abfahrt und ein weiterer Anstieg zu bewältigen. Der war kurz, aber steil.
Nicht zu erwähnen brauche ich eigentlich, dass es wieder tolle Blicke auf den Säntis
gab. |
|
|
In Hemberg war ich um kurz vor halb vier, zu früh, um unten in Wattwil
schon die Etappe zu beenden. Also, klar, das Ziel für heute musste jenseits des
Ricken liegen, der Campingplatz bei Weesen war ab sofort die geplante Übernachtungsstätte.
Eine kurze Pause machte ich in Hemberg, vorübergehend war dieser Ort mal die Heimat von
Jörg Kachelmanns Wetterstudio, dann fuhr ich weiter in Richtung Wattwil. Zunächst auf einer
Art Hochebene, dann ging es hinunter ins Toggenburg. |
|
|
Dort unten war ich vor drei Tagen schonmal, auch den Ricken kannte ich
natürlich. Diesmal wollte ich über die neue Straße fahren. Den Pass konnte ich während
der Abfahrt genau studieren, denn die neue und die alte Rickenstraße lagen die
ganze Zeit in meinem Blickfeld – wie das Tal der Thur und die Churfirsten auch.
Hoffentlich gab es in Wattwil einen Coop-Pronto, das ist ein Tankstellenladen der
Handelskette Coop, der die Vorteile von Tankstellenläden (auch am Sonntag geöffnet) mit
denen eines Supermarktes (keine Tankstellenpreise) verbindet. Wattwil erschien mir als
der größte Ort bis zum Ziel in Weesen, also war hier die Coop-Pronto-Chance am größten.
Und irgendwo musste ich mich ja einigermaßen bezahlbar für das Abendessen verpflegen. |
|
Unten in Wattwil fand ich den erhofften Coop-Pronto und besorge mir dort
mein Abendessen. Ganz klar, es war erst kurz nach vier, ich konnte locker noch über
den Ricken fahren und auf den Campingplatz am Walensee. Nach einer kurzen Pause tat
ich dies. Vor drei Tagen nahm ich die alte Straße, warum nicht zur Abwechslung mal die
neue? Die Frage wurde recht schnell beantwortet, als die vielen Motorräder und Autos
sah, die eben diese neue Straße nahmen. Also wieder die alte Rickenstraße, sie
war mir ja inzwischen bekannt. Diesmal jedoch nahm ich die linke Abfahrt, in Richtung Niederurnen. Und es hieß einfach nur rollen lassen, mäßiges Gefälle, gut asphaltierte Straße, besser geht es nicht. Nach ein paar Fotostopps – die Aussicht über Zürichsee, Schwyzer Voralpen und Glarner Linthtal war nicht schlecht – erreichte ich das Tal, dort ging es weiter auf der Veloroute 4, mit Rückenwind und hohem Tempo an Ziegelbrücke vorbei nach Weesen, wo ein Campingplatz eingezeichnet war. |
|
|
So genau war der Campingplatz nicht in der Karte eingezeichnet, in Weesen
lag er nicht. Sogar in einem anderen Kanton, auf der anderen Seite des Sees, schon
Kanton Glarus. Allerdings nicht weit weg von Weesen, dafür viel weiter vom Ort, zu dem
er eigentlich gehört – Filzbach liegt etwa 250 Höhenmeter weiter oben. Aber der
Platz ist schön, direkt am Ufer des Sees im Wald, da kann man nicht klagen. Einzig
der Weg vom Zelt zu den sanitären Anlagen war eine halbe Wanderung, doch irgendwann
hatte ich auch geduscht und konnte die 20 CHF Schlüsselpfand wiederholen. Und zudem
bekam ich eine Information, die den weiteren Verlauf der Tour entscheidend beeinflusste:
Der Klausenpass war seit zwei Tagen geöffnet! Das wollte ich mir nicht entgehen lassen,
daher änderte ich meinen Plan und wollte nun über den Klausen und anschließend
vielleicht die Route Oberalp-Lukmanier ins Tessin. Oder erst später ins Tessin und
zunächst einige Seitentäler der Surselva kennenlernen? Die Zeit wird es zeigen. Abendessen am See, dann legte ich mich ins Zelt und las ein wenig im Hansjörg- Schneider-Krimi. Was ich noch nicht wusste, war, wer der Mörder war. Und außerdem wusste ich nicht, dass dies meine letzte Nacht im Zelt sein sollte. |
|