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Mittwoch, 11.6.2008 – 14. Etappe
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In der Nacht gab es dann schon den einen oder anderen Gewitterschauer,
vielleicht war es doch gar nicht so schlimm, dass es in Ilanz keinen Campingplatz mehr
gab. Zwei Tage hatte ich noch zur Verfügung, heute und morgen, am Freitag,
den 13. musste ich zurückfahren. Und wieder mal prophezeite die NZZ das beste Wetter
fürs Tessin, also beschloss ich, über den Splügen oder den San Bernardino dorthin
zurückzufahren. Splügen, falls es heute gut lief und ich noch drüber kam, San
Bernardino, falls es heute nachmittag tatsächlich zu regnen anfangen sollte
und ich nur bis Splügen (Dorf) kam.
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Ich bezweifelte, dass ich trocken bleiben würde. Der Blick nach vorne fiel
auf immer dickere und grauere Wolken. Und rechts und links hingen sie noch von den
nächtlichen Schauern in den Wäldern. Zugegeben, der Anblick hatte etwas dramatisches,
nicht nur bei Sonnenschein sind die Berge schön. Doch zum Fahren ist's mir schon lieber,
wenn die Sonne scheint. |
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Auf das nächste Teilstück freute ich mich. Schon vor drei Jahren fuhr ich
durch die Rheinschlucht, es ist eine spektakuläre Alternative zur Fahrt über Flims und
Laax. Zudem eine verkehrsarme, daher wird die Veloroute 2 über diese Straße geführt.
Bis kurz vor Versam steigt die Straße an (also, wer denkt, vom Oberalppass ginge
die Rheinroute nur bergab, der irrt). Ich passierte die Dörfer Valendas und Carrera,
die Rheinschlucht war hier mehr zu erahnen als zu sehen. Das sollte sich nach Versam
ändern. |
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Erstmal kam eine Abfahrt. Von Versam durch einige Serpentinen im Wald,
vorbei an der Abfahrt ins Safiental (irgendwann fahre ich da mal rein, auch so eine
Sache, die ich mir schon lange vorgenommen habe) bis zur schönen Stahlbrücke über die
Rabiusa. Eine einspurige Brücke, 70 m über dem Bach, für Menschen mit Höhenangst sicher
nicht ganz ohne. Auf der anderen Seite stand eine der vielen Informationstafeln
über die Rheinschlucht, da machte ich eine kurze Pause. Dann ging es wieder hoch. |
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Der Höhepunkt dieser Fahrt durch die Rheinschlucht folge nach der
Brücke über die Rabiusa: fast wie in den Gorges du Verdon ist die Straße in den
Fels gehauen, tief fällt der Blick ins Tal, wo neben dem Rhein das Gleis der
rhätischen Bahn verläuft. Bis zu 400 m tief hat sich der Vorderrhein in das
Material eingegraben, das vor über 10.000 Jahren während des Flimser Bergsturzes
niederging. Heute ist die Schlucht ein Naturdenkmal erster Klasse. Tiere und Pflanzen
konnten sich in diesem vom Menschen weitgehend unberührten und seit 1877 auch
gesetzlich geschützten Gebiet ungestört entwickeln. Von oben sieht man die
zwar nicht, da kann man nur die tollen Ausblicke genießen. |
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Das wäre also die erste Schlucht für den heutigen Tag. Eben noch fuhr ich
auf der in den Fels geschlagenen Straße, nun rolle ich schnurstracks geradeaus hinunter
nach Bonaduz. Dort wechselte ich die Velorouten, weiter ging es auf der Route 6, der
Graubünden-Route. Und ich wechselte den Rhein, bislang fuhr ich vorderrheinabwärts,
nun ging es hinterrheinaufwärts. Zunächst bis Thusis, dort wollte ich meine
Mittagspause einlegen. Das tat ich auch, nachdem ich mich mit Migros-Leckereien (u. a. Anisstängel, leckerlecker) eingedeckt hatte, suchte ich mir eine Bank am Bahnhof und konnte gleichzeitig essen, Zeitung lesen und das Bahnhofstreiben beobachten. Immer wieder schön anzuschauen sind die Bronze-Statuen von Roland Indermaur, die dem Bahnhof einen künstlerischen Touch geben. Die Zeitung versprach schönes Wetter im Tessin und durchwachsenes nördlich der Alpen. Dass ich es heute noch über den Splügen schaffte, glaubte ich nicht mehr so recht und nahm mir das Dorf Splügen als Ziel vor. Denn eines stand fest: um 18:00 musste ich vor einem Fernseher sitzen, wenn möglich geduscht. Morgen stünde dann der San Bernardino auf dem Programm inkl. Abfahrt bis Bellinzona, von dort am Freitag die Zugfahrt zurück nach Hause. So sollte es sein. |
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Auf in die zweite Schlucht des Tages, die sagenumwobene Via Mala. Nicht
nur der Roman von John Knittel machte die Schlucht berühmt, schon lange Zeit vorher
beschäftigte sie die Menschen. Denn diese tief eingeschnittene Schlucht des
Hinterrhein war eines der größten Hindernisse für die Passage der wichtigen
Pässe Splügen und San Bernardino. Allerdings hieß sie damals noch nicht Via Mala. Den
Namen bekam die Schlucht, als die parallele "obere Straße", die Verbindung von
Chur über den Septimer in die Lombardei, stärker genutzt wurde als die "untere Straße",
eben die über den Splügen. Dadurch verfiel der Weg immer mehr, et voilá: Via Mala.
Das war im 13. Jahrhundert. Im 15. Jahrhundert lebte der Verkehr über den
Splügen wieder auf, der Weg wurde neu ausgebaut, und die Orte an der Route wurden
immer reicher, noch heute ist dies im Ortsbild von Andeer und Splügen zu erkennen. |
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Von den Beschwerden früherer Zeiten merkt man heute kaum noch etwas. Die
Nationalstaße N13 durchquert die Via Mala fast komplett im Tunnel, und auch auf der
Kantonalstraße ist das beschwerlichste die Steigung. Insbesondere natürlich für
schwer bepackte Radfahrer, ich musste schon etwas schwitzen. Aber nur etwas, denn
es war recht kühl, außerdem fielen bald nach den Fotostopps an den Parkplätzen für
Schluchtbesucher die ersten Regentropfen. |
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Am Ende der Via Mala kommt man unvermittelt in ein recht weites Hochtal,
das Schams. Gleich am Anfang liegt Zillis, bekannt wegen der Kirche St. Martin mit
ihrer weltberühmten Kassettendecke: Die 153 quadratische Bildtafeln, erschaffen im 11.
Jahrhundert, sind das weltweit einzige Werk dieser Art, dass nahezu vollständig seit
der Hochromanik erhalten ist. Das war jetzt Wikipediawissen. Ich hatte beim nun stärker werdenden Regen keinen Sinn für Kultur, und wieder ein Punkt, auf meiner To-do-Liste für spätere Zeiten. Erstmal wurde ich nass, fuhr weiter auf der Straße in Richtung Splügenpass. Bis Andeer kam keine nennenswerte Steigung mehr, und in Andeer beschloss ich, eine nennenswerte Pause einzulegen. Vielleicht hörte der Regen ja auf. |
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Nach einer halben Stunde brach ich das Alibi-Warten auf das Ende des Regens
ab, hier wollte ich noch nicht übernachten. Die nächste Stufe der Splügen- und
San-Bernardino-Route wartete, von Andeer bis zum Sufner See waren es knappe 500
Höhenmeter. Hauptsächlich durch den Wald, bei nachlassendem Regen und hin und wieder
begleitet von der "parallel" verlaufenden Nationalstraße, die die Steigung mit einigen
Brücken und Tunnels nahm. Den Nachteil dieser Straße, die manchmal nicht ganz so
idyllische Landschaft, gleicht der Vorteil schon ein wenig aus: auf der Kantonalstraße
war kaum Verkehr. Mit einigen Fotostopps dauerte es eine Stunde, dann hatte ich
die Staumauer des Sufner Sees erreicht. |
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Der Regen hat aufgehört, aber sicher nicht nachhaltig. Klar, auf den
Campingplatz würde ich wieder nicht gehen. Die letzten Kilometer bis Splügen waren
flach und trocken, dennoch drohten dicke Wolken am Himmel. Ich wählte das Hotel
Suretta, wichtig war natürlich der Fernseher auf dem Zimmer. Kaum hatte ich eingecheckt,
begann es erneut zu regnen. Eine kurze Regenpause nutzte ich für einen kleinen
Ortsrundgang. Dass es sich einst um ein sehr reiches Dorf gehandelt haben muss,
sieht man an den wuchtigen Häusern, wie z. B. dem Hotel Bodenhaus. Der Reichtum
kam von der Lage vor den beiden Pässen, dem Splügenpass und dem San Bernardino. Splügen
war die letzte Station vor der Passüberquerung. Mehr dazu ist bei der Beschreibung
des Splügenpasses. |
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Zurück im Hotel wartete die Übertragung der heutigen EM-Spiele auf mich.
Die Schweiz wollte gegen die Türkei nicht ausscheiden, Tschechien oder Portugal wollten
den vorzeitigen Gruppensieg perfekt machen. Dies gelang Portugal. Interessanter
war das Spiel der Schweiz. Nicht nur in Splügen regnete es, auch in Basel, und das nicht
zu knapp. Eine wahre Wasserschlacht, mit einem sehr unglücklichen Ende für die Schweiz,
die nach 1:0-Führung ganz kurz vor dem Schlusspfiff noch den Treffer zur 1:2-Niederlage
hinnehmen mussten und daher als erste Mannschaft aus dem Turnier ausgeschieden waren.
Kollektives Jammern im schweizer Fernsehen, ich schaltete ab und schlief ein. Auf 1.400 m
Höhe gab es keine türkischen Autokorsos. |
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